Guilherme Fians
Guilherme Fians (researchgate.net)
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Über den Autoren Guilherme Fians steht im Jahrbuch der Gesellschaft für Interlinguistik (GIL) 2018, er "ist Assistenzlehrer und Doktorand in Sozio-Anthropologie an der Universität Manchester, wo er dazu forscht, wie Esperantosprecher und -unterstützer vor allem in Frankreich mit Esperanto als auch anderen politischen Anliegen und sozialen Bewegungen umgehen."
Die Neutralität einer politischen Partei: Sprachpolitik und Aktivismus für Esperanto in den Wahlen zum Europäischen Parlament
(Beitrag im Jahrbuch der Gesellschaft für Interlinguistik 2018 / Einführung Cyril Robert Brosch & Sabine Fiedler)
Guilherme Fians geht in diesem Jahrbuch (ab Seite 11) kritisch auf die Außenwirkung der politischen Ausrichtung von EDE ein. Sein Beitrag wurde von Svenja Freese übersetzt und ist wie folgt gegliedert.
1 Einleitung
2 Wir sind entweder politisch oder wir sind gar nichts!
3 Eine Politische Partei auf der Suche nach einer Agenda
4 Wie neutral kann Neutralität sein?
5 Neutralitätsdefinitionen auf dem Prüfstand
6 Über das Managen von Auswirkungen von Parteiaktionen
7 Schlussbemerkungen und Ausblick
Danksagung
Anhang
1 Einleitung
Esperanto hat besondere Eigenheiten. Eine öffentlich kaum geförderte Sprache wird nur durch die Sprachgemeinschaft erhalten, die sich über die Generationen immer neu finden muß. Ziel ist Erlernen und Gebrauch der Sprache durch "eine soziale Bewegung". Die Idee der in sich neutralen Sprache schafft Gerechtigkeit. Der Begriff Neutralität wird aber auch interpretiert und soll für eine "neutrale Esperanto-Bewegung" stehen. "Wenn etwas beworben und unterstützt wird, wie kann solch eine Bewegung neutral sein?" Am Beispiel von Europa-Demokratie-Esperanto (EDE) wird der Neutralitätsbegriff mit "Hilfe eines sozio-anthropologischen Ansatzes" hinterfragt. Hauptsächlich wird EDE France behandelt.
2 Wir sind entweder politisch oder wir sind gar nichts!
EDE wird kurz vorgestellt. 2003 wurde die Föderation gegründet, um die notwendige Sprachengerechtigkeit für eine demokratische EU zu entwickeln. Das Verständnis von Neutralität kann aber konkrete Entscheidungen erschweren. Mitglieder von EDE hatten ein Problem damit, sich einer Petition an den Europäischen Rat zu Maßnahmen gegen die globale Erwärmung anzuschließen. In einer Netz-Diskussion zeigten sich unterschiedliche Pole.
Beschränkungsansatz: Bürger haben Vertrauen in die Parteien verloren und sollten durch Esperanto gemeinsam debattieren und entscheiden. Auch Esperantisten haben unterschiedliche Ansichten. EDE sollte sich nur auf Esperanto beziehen.
Verbreiterungsansatz: Unsere Kernthemen Demokratie und Esperanto reichen nicht. Zu einer "richtigen" politischen Partei, die ernstgenommen werden soll, gehören weitere Europa-Themen. Inhalt eines politischen Programms sollte z.B. auch der Klimawandel sein.
Dazu kommt die Beobachtung, daß ein Teil der Mitglieder sich von Politik an sich distanziert. Doch Esperanto ist ja bereits (sprach-)politische Aktion. EDE darf nicht wirken wie viele der ungefähr 130 politischen Parteien in Deutschland, bei denen sich die wenigsten "tatsächlich mit Politik auseinandersetzen – die anderen sind Fantasten". Ein politisches Programm wird erwartet.
Die Bewertung des Neutralitätsbegriffes ist bei den heutigen Mitgliedern noch recht unterschiedlich. Sicher gibt es Gründe für eine Beschränkung auf das Hauptthema, doch kann eine politische Partei bei den vielen gesellschaftlichen Fragen neutral bleiben?
3 Eine Politische Partei auf der Suche nach einer Agenda
Besonders sichtbar wird EDE zu Europawahlen, besonders in Frankreich. Europa-Demokratie-Esperanto ist Programm. Beinhaltende Themen sind Bildung, Internationale Demokratie in der EU (Dezentralisierung von Entscheidungen), also mehr Mitsprache der Bürger. "Nun zum ausgereiftesten Teil ihres Programmes, Esperanto:" Sprachenrechte, Schutz von Sprachminderheiten, Umweltschutz (natürlich und sozial), Mehrsprachigkeit in der EU, Schulfach Esperanto als neutrale Sprache. Die Europawahlen sind für EDE wesentlich. Das EU-Parlament ist vielsprachig. Bürger können das Parlament über eine der Amtssprachen kontaktieren. In den Institutionen werden dagegen nur sehr wenige Nationalsprachen verwendet. Für die europäischen Bürger wäre die Nutzung von Esperanto ein großer Vorteil, doch auch für die Institutionen wäre das "derzeitige Sprachenregime" weniger ineffektiv (siehe bei François Grin). "Angesichts dieser Problematik schlägt EDE vor, Esperanto als eine weitere Sprache dem Pool der Amts- und Arbeitssprachen der EU hinzuzufügen." Die Europawahlen ermöglichen EDE, in den (vor allem französischen) Medien Informationen zu verbreiten. Bürger werden dort auf ihre Mitsprachemöglichkeit hingewiesen. Bisher stehen noch wirtschaftliche Anpassungen im Vordergrund. Der Vorschlag, die Verständigung der Bürger durch Esperanto zu verbessern, damit Europäer sich mit Europa besser identifizieren können, ist "Kern des EDE-Projekts". "Was, wenn überhaupt, könnte dieser Agenda hinzugefügt werden, ohne die Neutralität zu gefährden, die von einigen EDE-Mitgliedern erwartet wird?"
4 Wie neutral kann Neutralität sein?
Damit Mitglieder und Unterstützer noch genügend Platz trotz ihrer unterschiedlichen politischen Ansichten bei anderen Themen finden, verhält man sich dazu so neutral wie möglich. "Esperanto als neutrale Sprache" ist das verbindende Argument. Dazu wird von der UEA (Esperanto-Weltbund UEA) als Vertreter einer neutralen Esperantobewegung von den gelisteten Fachverbänden (wie EDE) eine Neutralität erwartet. Zamenhof selbst definierte Neutralität so, daß Esperanto nicht andere bestehende Sprachen verdrängen soll. Andere Ideen oder Hoffnungen sind Privatangelegenheit und kein Esperantismus. Doch trotz dieser Neutralität mangelt es nicht an eigenen Weltsichten. Und natürlich kann jedermann Esperanto für jeden Zweck nutzen. "Die von Zamenhof vorgeschlagene Definition von Neutralität beinhaltet daher eher, über einen besonderen kosmopolitischen Ansatz zu verfügen (Fians 2018), als das Fehlen von Einstellungen auszudrücken."
Guilherme Fians sieht bis heute keine übereinstimmende Meinung zur Definition der Esperantobezogenen Neutralität unter den Esperantobefürwortern. "Gobbo (2017: 41–43) untersucht einige der sich wandelnden Ansätze zur Neutralität und zu Sprachideologien innerhalb der Esperantobewegung, die von der Idee dieser Sprache als Werkzeug für jeden Zweck bis später hin zu einem ideologischen Merkmal reichen, das Esperantisten daran hinderte, politische Engagements mit Esperanto zu verbinden." Bereits zwischen den Weltkriegen kam es in dieser Frage zu "offenen Konflikten" innerhalb der Esperanto-Bewegung, einerseits den neutralen eher bürgerlichen Anhängern und den eher linken Esperanto-Arbeiter-Bewegung. Man sah sich zum Teil existenziell dazu gezwungen, einen Neutralismus zu wahren. Dieses Erbe wirkt bis heute nach und es wirkt sich auf die Formen des "Aktivismus" bei EDE aus.
Daß die Sprache Esperanto neutral ist, wird bestritten, da nicht alle Sprachen der Welt gleichwertig berücksichtigt sind. In einem anderen Fall wird die Neutralität auf die Machtverhältnisse bezogen. Üblich ist die Sprachenverbreitung durch Ausübung von Macht. "Wie von Robert Phillipson (1992) behauptet, wurden die am weitesten verbreiteten Sprachen durch imperialistische Aktionen zu diesen, wobei der Kolonialismus eins der wichtigsten Werkzeuge war, um einige Sprachen zu Dominanz zu verhelfen." Zum internationalen Status des Englischen sagt Phillipson in seiner Studie, daß Englisch-Muttersprachler bessere Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten haben und die anderen herabgewürdigt werden. Jenen werden schlechtere kommunikative Fähigkeiten vorgeworfen. Dieser Sprachimperialismus schafft Sprachenhierarchien, die dominante Sprache verschafft sich damit materielle Vorteile mittels Wissenschaft, Medien und Bildung. Ein Zugang zu Waren wird auf Sprachkundige beschränkt. Die Nutzung von Sprachen der Mächtigen verstärkt sich durch sich selbst und es ist verständlich, "wenn diese Machtverhältnisse einen Teufelskreis bilden, der die Bedeutung der betroffenen Staaten und der in ihren Sprachen vermittelten Kultur, Wissenschaft und Information erhöht. Esperanto wiederum zielt darauf ab, diese Logik in Frage zu stellen, indem es mit keinem Staat verbunden und gewollt machtlos ist."
Diese freiwillige "Machtlosigkeit" und "Nicht-Instrumentalisierung" wird gelegentlich als Argument genutzt. Während einflußreiche Nationalsprachen für die Karriere gebraucht werden, gilt Esperanto als unabhängig und damit Machtneutral. Doch auch da gibt es Kritik. Monica Heller (2017: 13) sieht in der "Geschichte der künstlichen Sprachen .... eine sehr europäische Geschichte". "Insofern folgt die Geschichte weitgehend dem Weg der politischen und wirtschaftlichen Macht." Esperanto wird u.a. als international neutral angesehen, da die Sprache an kein Volk gebunden ist und damit kein einzelnes Volk Macht ausüben kann. Eine bessere internationale Kommunikation ist die Folge. Von der UEA, dem Esperanto-Weltbund wird Neutralität in seiner Offenheit "als neutraler Interessenverband" verstanden. Schließlich wünscht die UEA Neutralität im politischen Engagement. Doch manche sehen in der Mitgliedschaft der UEA in der UNO mit einer westlicher Ausrichtung den Verlust von Überparteilichkeit. Die Definition des Neutralitätsbegriffes ist schwer zu fassen.
Einige Esperantisten versuchten in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, sich den Diktaturen anzupassen. Es gab "erfolglose Versuche der Toleranz und Koexistenz", die natürlich zwecklos waren. "Lins (2016; 2017) und Forster (1982: 218–233)". Nach dem Krieg war klar, grundlegende Menschenrechte sind nicht vernachlässigbar. "Darüber hinaus, um Zamenhofs Haltung wieder aufzunehmen, ist die Neutralität des Esperanto nicht das Fehlen von Einstellungen, sondern eine bestimmte Haltung, die spezifische Formen von Offenheit, Inklusion und Gerechtigkeit betont." Kein Wunder, daß der Begriff Neutralität für EDE eine solche Herausforderung darstellt. So wird Neutralität einerseits für die Sprachenfrage grundlegend verlangt, andererseits wird EDE dann nicht als politisch neutral angesehen.
5 Neutralitätsdefinitionen auf dem Prüfstand
Manche stellen die Neutralität der Sprache Esperanto selbst in Zweifel, da nicht alle weltweiten Sprachen gleich berücksichtigt sind. Esperanto hat sich europäisch entwickelt. Sollte EDE Esperanto in Europa stärken können, dann sehen Kritiker darin eine zu starke Ausrichtung der Sprache auf Europa, irgendwie zu Lasten der außereuropäischen Esperantosprecher. Esperanto wird als Gegenstück zu den vorherrschenden Machtverhältnissen gesehen. Wenn die Sprache aber offizielle Verwendung finden sollte, dann wäre sie nicht mehr freiwillig. So kann darin etwas Imperiales gesehen werden.
EDE möchte mit Esperanto die Vielfalt in der EU und deren Personen und Völkern stärken. Andere wären benachteiligt. Außereuropäische Esperantisten sehen dies "gelegentlich kritisch". Schon lange wird diskutiert, ob Esperanto von unten oder von oben kommen solle. Von unten hieße, daß "im Laufe der Zeit" jedes Individuum von selbst die Vorteile erkennt und weitergibt. Von oben bedeutet, Esperanto von internationalen Organisationen aus verbreitet werden sollte. Diesen Ansatz hat EDE, schließlich gibt es die EU in der Realität. Eine solche denkbare Offizialisierung gefällt nicht allen Esperantisten. "Van Parijs kommentiert: »Würde sich ihre Sprache [die der Esperantisten] ihren besonderen Reiz und ihre Gemeinschaft ihre Warmherzigkeit bewahren können, wenn Esperanto erst einmal von Kapitalisten und Bürokraten geschätzt wird?« (Van Parijs 2013: 97)."
Wie kann EDE handeln, wenn Esperanto zu einer wenn auch schwer bestimmbaren Neutralität mahnt? Esperanto für mehr Gerechtigkeit zu fördern ist klar, aber wie steht es um die vielfältigen Fragen, die eine politische Vereinigung zu beantworten hat? Aus Guilherme Fians Sicht handelt es sich um "eine dünne Linie, die EDE immer nahe ist zu überschreiten." Er nennt die potenziellen Wähler, die eine normal politische Partei wünschen wie auch jene Parteimitglieder, die eine angestrebte neutrale Überparteilichkeit in Frage stellen. In der oben genannten Netz-Diskussion offenbaren sich unterschiedliche Denkweisen. So ist eine Beschränkung erwünscht, also keine zu großen Programmerweiterungen, außer wenn eine breite Mehrheit bei EDE solche Themen ohne Esperantobezug unterstützen möchte. Selbst ein Wunsch nach Entpolitisierung wird geäußert. Doch EDE existiert durch ein politisches Denken und ist für manche Menschen gerade dadurch attraktiv. Unterschiedliche Auffassungen zu Neutralität bleiben eine Behinderung. Als wie erfolgreich kann eigentlich EDE bewertet werden?
6 Über das Managen von Auswirkungen von Parteiaktionen
EDE Frankreich hat zum Erscheinungstermin dreimal an den Europawahlen teilgenommen (2004, 2009, 2014). Hinweis: Die Angaben zur Europawahlteilnahme der deutschen EDE sind im Beitrag nicht korrekt. 2009 nahm EDE Deutschland teil, nachdem die Esperantisten knapp 6000 Unterschriften (nötig waren 4000) sammelten. Siehe Geschichte. Für den folgenden Wahlen war die Unterstützung bei der Unterschriftensammlung zu schwach. In Frankreich ist das Wahlergebnis relativ gering, aber es steigt moderat an. EDE scheint stabil zu sein und hat "sich im politischen Spektrum der französischen Parteien konsolidiert". Zu gewählten Kandidaten kam es noch nicht. Mitglieder führten eine Debatte, wie sich ihr Handeln auf Erfolge und Mißerfolge auswirkt. Sozialwissenschaftler sehen in ihrer Betrachtung Punkte wie "die biografische Bedeutung des Handelns der Partei". Insofern ist das Ziel, durch die Sichtbarmachung der Themen "das Bewusstsein für Mehrsprachigkeit und sprachliche Ungleichheit in der EU zu schärfen", ein Erfolg. Geplante Veränderungen finden bereits statt. Doug McAdam (1999) untersucht biographische Auswirkungen bei Mitgliedern. So hat die bloße Werbung von EDE auf der Straße dazu geführt, daß neue Aktive dazukamen. Nicht alle Mitglieder sehen darin einen Erfolg. Wie breit soll also ein EDE-Programm sein?
In der Mitglieder-Debatte nennt ein Mitglied die Aufgabe, für Esperanto zu werben. Dagegen stünden Mitglieder, "die sich mehr um Politik als um Esperanto kümmern." Natürlich wären Kandidaten aufzustellen, auch wenn keine Chance besteht. Für dieses Mitglied bietet also die EU einen zu nutzenden Raum für die Verbreitung der allgemeinen Idee Esperanto. Eine Kritik geht an jene Mitglieder, "die andere politische Plattformen vorschlagen wollen, um zu versuchen, wirklich gewählt zu werden."
Andere EDE-Mitglieder äußerten über Wahlsiegchancen, daß die "politische Partei ziemlich mächtig" ist und trotz der geringen Chancen immer wieder "Leute für einen Kandidaten für Esperanto stimmen würden". So gesehen verwirklicht die Partei bereits ihre Ziele. Andere Mitglieder machen den Erfolg von Wahlsiegen abhängig. Sie sehen ein Scheitern und zweifeln am Sinn der Partei und ihrer Parteimitgliedschaft. "Wenn also politische Parteien nicht im Rampenlicht stehen, neigen Esperantoanhänger in Frankreich dazu, ihre Aufmerksamkeit von EDE auf andere Dinge zu lenken". Das ist aber kein allgemeines Merkmal von EDE, sondern auch der anderen politischen Parteien. In Zeiten der Krise findet sich immer eine größere Zahl Aktiver.
EDE wirkt bei allem positiv, auch wenn einige Mitglieder die Partei in Frage stellen. Andere Mitglieder sehen es "einfach als Teil der Dynamik der Partei und der sich wandelnden und uneinheitlichen Haltungen ihrer Mitglieder hinsichtlich der Neutralität, ihrer politischen Agenda und erwarteten Ergebnisse."
7 Schlussbemerkungen und Ausblick
In europapolitsch ereignisreicher Zeit standen 2019 die Europawahlen bevor. Aktuell spielt die Grenzpolitik eine Rolle wie auch der Brexit, der nach der Ankündigung der Wahlteilnahme der EDE-Föderation thematisiert wird. Amts- und Arbeitssprachen der EU sind die vom Mitgliedstaat offiziell gemeldeten. Der einzige Mitgliedstaat, der in der Zeit seiner Mitgliedschaft für Englisch als Amtssprache sorgte, war bereits dabei, auszutreten. Da besteht also Handlungsbedarf. EDE-Mitglieder sehen die Chance der Sichtbarmachung des Problems und der Lösung. Wähler finden bei den größeren Parteien für sich oft passende Themen, doch was EDE auszeichnet, wird meist "nicht als offensichtlich angesehen". Peter Forster (1982: 6–8) sieht bei vielen Bürgern, daß sie das Problem nicht als drängend ansehen. EDE muß also vorher das Problem erklären, damit es erkannt wird. Und vorher muß EDE die Dringlichkeit des Problems aufzeigen, denn die damit verbundene Diskriminierung und Ungleichheit behindert Problemlösungen. Die meisten Wähler sehen nicht, wie sehr sie selbst von der EU-Sprachenpolitik betroffen sind, andere Themen liegen ihnen näher. Guilherme Fians sieht eine Herausforderung für EDE in der Vermittlung der grundlegenden Problematik, da sie oft nicht als relevant angesehen wird. Der Brexit passt eigentlich ins Bild und spielt bei den Europawahlen 2019 eine Rolle. Zwischen den Mitgliedern bestehen unterschiedliche Auffassungen zur Brisanz des Grundthemas. Vor allem sind viele Wähler skeptisch gegenüber dem Potenzial von Esperanto und sie glauben wohl auch nicht an die vorgetragene Brisanz und sehen darin eine "Angst vor einem Scheitern". Die Partei arbeitet darauf hin, "dass Esperanto ernst genommen wird."
Das Neutralitätsgebot "schränkt EDE‘s politische Programm ein." Die einen wollen die Beschränkung auf Sprachenpolitik, die anderen sehen in diesem begrenzten Programm keinen Sinn für eine "echte Partei". Die Neutralität (weder links, noch rechts, noch Zentrumspartei) ermöglicht Offenheit für alle Esperantisten. Damit wird aber der Handlungsspielraum und die inhaltliche Verbreiterung eingeschränkt. Der Erfolg wird bei den Mitgliedern je nach Neutralitätsdefinition unterschiedlich bewertet. Keine gewählten Kandidaten, aber Sichtbarmachung des europäischen Sprachenproblems. Die Herstellung von Öffentlichkeit bringt Effekte. Für "eine neutrale politische Partei" ist der "Aktivismus der EDE-Mitglieder" als Erfolg anzusehen. Sicher sind die Ziele, "den Esperanto-Unterricht an EU-Schulen oder die Übernahme von Esperanto durch europäische politische Gremien zu fördern," nicht erreicht, doch trotz der geringen Größe konnte sich EDE bei einem Teil der "Esperanto-Bewegung" und auch "im politischen Szenario" etablieren.
Danksagung
Guilherme Fians dankt teilgenommenen Mitgliedern von EDE, sowie Federico Gobbo, Sabine Fiedler, Manuela Burghelea, Stef Jansen und Svenja Freese.
Anhang
Ankündigung der Teilnahme von EDE an den EU-Wahlen 2019, auf Französisch in der französischen Esperanto-Zeitschrift Espéranto-Info veröffentlicht
Bibliografie
Guilherme Fians Jahrbuch der Gesellschaft für Interlinguistik 2018 (S.11) (
Die Neutralität einer politischen Partei: Sprachpolitik und Aktivismus für
Esperanto in den Wahlen zum Europäischen Parlament PDF (interlinguistik-gil.de)
Nachwort [SE] edexpolitneutral
Auf dieser Seite ist der Text von Guilherme Fians in gestraffter und sicher etwas vorinterpretierter Form wiedergegeben. Ein Vergleich zum Originaltext ist sinnvoll. Doch ein Nachwort ist bei der komplexen Darstellung diverser Ansichten unbedingt notwendig.
Neutralität in Bezug auf Esperanto wird also sehr verschieden verstanden und lässt viel Spielraum für selbst entgegengesetzte Argumente. Unsere historisch gewachsenen Parteien haben üblicherweise ein in sich zurechtgelegtes umfassendes Weltbild. Problematisch wird es, wenn der Neutralitätsbegriff auf das übliche Spektrum angewandt wird. Die klassische Einteilung der Parteien und Parlamente in ein Spektrum zwischen links und rechts gilt so eindeutig nicht für alle Themen in den Gesellschaften. EDE steht mit seinem von den Gesellschaften verdrängten Thema etwas neben dieser weit verbreiteten Eindimensionalität. Vielleicht sollten in der Politik die vielen komplexen Themen generell eher in einem modularen System bewältigt werden. Man könnte dann als Bürger mehrere auswählbare Themenmodule bei Wahlen bestimmen.
Die "Leute", also alle Bürger ob Wähler oder Nichtwähler, werden auch in Zukunft allerlei verschiedene Ansichten zu EDE haben. Oft sind es ganz normale Menschen, die mit einem archaischen Denken aufgewachsen sind: "Der Stärkste hat durch sein Überlegenheit erworbene Sonderrechte, also unterwerfen wir uns". Wir alle sind doch mehr oder weniger in das vorherrschende System involviert, daß von einer "irgendwie vorgegebenen" englischsprachigen Zivilisation ausgeht. Diese Sieger-Verlierer-Mentalität ist immer noch weit verbreitet, doch ist zu bedenken, daß damit kein verbindendes europäisches Staatswesen mit gleichberechtigten Partnern gestaltet und erhalten werden kann. Damit lässt sich auch kein weltweit emanzipiertes Europa entwickeln. Es ist unmöglich, den uns unbekannten potentiellen Wählern alles recht zu machen, damit sie für uns stimmen. Aber zu stark lähmende Bedenken, wegen einzelner Aussagen abgelehnt zu werden, nur weil wir noch keinen klaren Stamm in den Wählerschaften haben, bringen am Ende nichts. EDE muß unabhängig von allen Außen-Meinungen den eigenen Weg und die eigenen einzunehmenden Positionen finden. Wir sollten dazu auf eine eigene und freie sichtbare Haltung auch bei weiteren Themen hinarbeiten. Eigentlich ist diese Grundhaltung als Teil der progressiven humanistischen Bestrebungen in den Gesellschaften schon seit dem 19. Jahrhundert vorgezeichnet. Von den im "heute" lebenden Bürgern wird oft nicht verstanden, daß gerade wir nicht konservativ sind. Ich sehe EDE in der Tendenz progressiv, also unter anderem durchaus sozial und umweltbewußt, einfach weil das zeitgemäß ist. In der Frage der Sprachengerechtigkeit sind alle anderen Parteien deutlich weniger progressiv als wir. Sie sind konservativ, weitgehend unabhängig davon wo sie im Parlament sitzen und welchen Ansatz sie sonst verfolgen. Das zeigt sich auch im Ergebnis einer kleinen nichtrepräsentativen Befragung im Juli 2021 bei Twitter. Das klassische politische Spektrum wurde gerafft und vier Denkrichtungen vorgegeben: ökologisch, sozial, liberal und konservativ. In diesem Befragungs-Fall war die Beteiligung noch geringer als sonst. Nur zwei nichtrepräsentative Stimmen konnten gezählt werden, eine für sozial und eine für konservativ. Daß man uns dort als konservativ ansieht, ist das große Mißverständnis in den Gesellschaften. Vielleicht kommt manchem Esperanto veraltet vor, doch ist es eine viel modernere Lösung als es der bestehende Zustand hergibt. Auch mit dem im Parteienspektrum verbreiteten einseitigen nationalen Denken können wir nichts anfangen. Einzelne nationale europäische Staaten haben innerhalb Europas wie auch weltweit keine Chance mit ihren eventuell noch vorhandenen Herrscherträumen. Das Denken wie bei den alten Weltmacht-Nationen ist ebenfalls kein Vorbild für ein geeintes Europa. Wir wollen, daß man sich in Europa und weltweit auf Augenhöhe verständigt. EDE ist also grundsätzlich progressiv und bleibt weltoffen.
Wie stehen eigentlich die neuen sogenannten "Europaparteien" zur Sprachenpolitik? Verhalten sie sich neutral? Scheinbar ja, aber doch nein! Das Problem wird entweder nicht erkannt oder benannt, und wenn bleibt es beim altbekannten Rezept, das es seit Beginn der Menschheit gibt. Die mächtige Sprache, zur Zeit also Englisch, dazu weitere Nationalsprachen, aber nicht Esperanto, sollen weiterhin genutzt werden. Bei Volt wird gerade an einem Text zur Demokratie in Europa gearbeitet ("Ich arbeite akademisch daran."), darin wird wahrscheinlich die Problematik der heute weitgehend fehlenden europäischen Identität durch Sprache ausgeklammert. "Sprache ist bei uns kein Thema." Twitter-Dialog Volt Damit unterscheidet sich der Vertreter von Volt nicht von der Linie Coudenhove-Kalergis. Josef Zauner: UŜE u. Paneuropa-Union und Zauner: Politischer Überdruck Bei den dazugekommenen "Europaparteien" scheint also noch lange nicht viel mehr als das archaische Denken vorzuherrschen. Eine Ausnahme gab es 1984 im Ansatz, als der Vorsitzender der Europäischen Föderalistischen Partei (EFP) Lutz Roemheld die Frage der Gliederung eines geeinten Europas mit der gemeinsamen neutralen Sprache Esperanto verband. Er war unserer Idee schon wieder recht nah, wurde aber wohl zu wenig unterstützt. Einerseits sicher aus den eigenen Parteireihen, andererseits war vielleicht wieder eine wohl falschverstandene Neutralitätsinterpretation vonseiten der Esperantisten beteiligt. Vielleicht war diese Interpretation auch Grund, daß nach der ersten erfolgreichen Unterschriftensammlung zur Beteiligung an der Europawahl 2009 das Ziel der zweiten Sammlung für die Wahl 2014 nicht mehr erreicht wurde. Erhellende Befragungen dazu sind wünschenswert. Auch die Grünen, sich ebenfalls "Europapartei" nennend, haben ein prominentes Beispiel für einen Abgeordneten im Europaparlament, der in seinem Leben mit Esperanto in Berührung kam, aber in seiner Umgebung wenig positive Impulse zu Esperanto vermittelt. Problematisch, denn sobald man eine gewisse Kenntnis über Zusammenhänge hat, erwartete ich mehr verantwortliches Handeln und ein Fördern der Idee. Aber soll man etwas von einer Person erwarten? Übrigens gehört er zu denen bei den Grünen, die gern englisch schreiben. Doch immerhin hat er sogar freundlich getwittert. Ja, und es gibt natürlich auch die grünen Esperantisten (AVE) neben den medienbekannten Grünen. Nun werden die anderen Vereinigungen etwas mehr auf uns achten, um nichts zu verpassen. Aber so schnell ist mit keiner Mehrheit der Esperantobefürworter in anderen Parteien zu rechnen.
Es scheint aber auch eine weitere Form von Neutralität zu geben. Proeuropäische Organisationen wie PulseOfEuropa oder Junge Europäische Föderalisten (JEF) bei der Europaunion beobachten die Aussagen der etablierten Parteien, sogar auch Volt. Erscheint man dort als EDE-Vertreter, sind die Veranstalter teilweise etwas ratlos. EDE passt vielleicht nicht in die vorgegebenen Vorstellungen. Bei allen heutigen Proeuropäischen Vereinigungen herrscht gewollt oder nicht eine gewisse elitäre Stimmung vor. Englisch ist dort das zugehörige Werkzeug. Aber auf diese Weise wird praktisch ein Teil der für ein demokratisches Europa benötigten Bürger auf Distanz gehalten. Kurz gesagt: So wird das nichts.
Kann man sich als politisch Engagierter eine Karriere bei EDE vorstellen? Gebraucht werden die Ausdauernden, denen ein steiler Aufstieg kaum etwas oder eher nichts bedeutet. Schließlich braucht Geschichte viel Zeit. Wer weiß, daß das Anliegen eine Bedeutung hat, ist fähig auch langfristig leichter bei scheinbaren oder wirklichen Mißerfolgen dabeizubleiben. Mit der Zeit werden karrierebewußtere Akteure, so wie bei den anderen Parteien auch, zu EDE dringen. Eine Lebensfrist für EDE wird wohl am ehesten durch die jeweiligen nationalen Gesellschaften vorgegeben, die möglicherweise nach einem Verlust der Demokratie verbieten werden, was nicht ins Bild passt. Ist das auszuschließen? Siehe Geschichte.
Ohne ein Europäisches Bewußtsein kann die Idee einer Europäischen Demokratie nicht wirken. Eine Voraussetzung ist Bildung für alle Bürger, ein Europäisches Basiswissen. Dazu gehört das Erlernen der neutralen Sprache Esperanto. Und dann erst kann sich mit dem neu Erlebten auch das Bewußtsein stärken und dann erst ist eine übernationale Demokratie realisierbar. Ansonsten leben alle nur nebeneinanderher, selbst wenn Gesetze angepasst werden. Denn die besten wirtschaftsfreundlichen Gesetze schaffen noch keine Europäische Identität. Dann kann Europa sich nicht weiterentwickeln und fällt zurück, Krisen können zu Zerstörungen führen. Das ist praktisch schon fast die Kurzformel und Begründung, warum EDE gebraucht wird.
Eugen Macko von EDE schreibt über diesen Zusammenhang: "Europa braucht internationale Demokratie": "Die große Mehrheit der europäischen Völker und auch ihre Politiker sind noch im nationalen Bewusstsein des letzten Jahrhunderts geblieben." Die "notwendige Weiterentwicklung zum internationalen Bewusstsein in der EU" fand nicht statt. "Europa braucht internationale Demokratie und internationale Demokratie braucht international demokratische Sprache."
"Für das Zusammenbleiben der Europäischen Union ist Esperanto notwendig": "Die EU ist gerade deshalb gegründet worden, dass diese Kriegskatastrophe sich nicht wiederholen kann. .... Auch in den Gründerstaaten der EU verstärken sich die Nationalparteien. .... Warum geschah es trotzdem? Wir in der EDE haben die Antwort darauf: Weil die Internationale Demokratie nicht gut genug funktioniert. .... Zwar behaupten die Führer der Nationalstaaten, dass sie nach den Wahlwünschen des eigenen Volkes handeln. Aber die Völker in der EU denken hauptsächlich nur national beschränkt." Und danach folgt auch die politische Aufgabe: Esperanto soll in den Schulen eingeführt werden, so dass die Bürger vom Anfang an unmittelbaren Zugang zur Internationalen Demokratie haben. Eugen Macko (EDE) Individuelle Gedanken: "Europa braucht internationale Demokratie" "Für das Zusammenbleiben der Europäischen Union ist Esperanto notwendig"
Im Beitrag von Guilherme Fians werden diverse Ansichten über mögliche Probleme benannt, die im Zusammenhang mit einer Statusänderung von Esperanto innerhalb Europas entstehen könnten. Dann wäre logisch, daß Esperanto im Verhältnis in anderen Teilen der Welt schwächer aussähe. Doch dies würde nicht automatisch so bleiben, da Esperanto durch die erkennbaren Vorteile und der Einsatz in Institutionen und zwischen Bürgern weltweit "populärer" würde. Sollte Esperanto wegen einer stärkeren Europa-Nutzung weltweit weniger verwendet werden, wäre das trotzdem nicht Schuld von EDE, wie das dann in so einem angenommenen Fall von einigen Esperantisten unterstellt werden würde. Logisch, daß die weltweite Sprache Anwendungen hervorbringt, eine davon ist die breitere Nutzung in einer politisch geeinteren Union. Auch die Sprache selbst wird kritisiert, da nicht alle weltweiten Sprachen gleich berücksichtigt sind. Doch zu bedenken ist, daß sich eigentlich alle Nutzer an der Entwicklung das Sprache beteiligen konnten und dies weiter tun. Sicher hatten nicht alle denselben Zugang, aber vielleicht ist das Interesse an einer weltweiten neutralen Sprache nicht überall in der Welt auf dem gleichen Bedürfnisstand, welcher für uns seit 1887 gilt. Weltregionen entwickeln sich unterschiedlich. Ist Esperanto zu europäisch? Individuelle Gedanken sind zu finden bei Zlatko Tišljar und Steffen Eitner (EDE):
Tišljar sieht die Einstellung vieler Esperantisten als problematisch an. Esperanto als zweite Hilfssprache für die ganze Welt sei nicht rechtfertigbar. Dazu müssten alle Länder innerhalb der UNO diese Sprachentscheidung akzeptieren. .... Danach gäbe es die Entwicklung, daß Regionen in der Welt ähnlich wie Europa zu Föderationen werden. Sie würden auf gleiche Weise eine gemeinsame neutrale Sprachen wählen, wie es in Indonesien geschah, also basierend auf einer kleinen Sprache aus dem eigenen Gebiet. Und genauso würde es in der EU passieren. .... Eine weltweite Zweitsprache würde sich nie realisieren, sie würde nicht gestattet, um sie nicht stark werden zu lassen. Zlatko Tišljar Individuelle Gedanken
"Zur Geschichte gehört der Fakt, daß in Europa der Wunsch nach einer gemeinsamen weltweiten Sprache besonders früh und eher als anderswo entstand. Wenn also hier aus dem Bedürfnis heraus besonders viele Nutzer an dieser Sprache mitwirken, dann kann es nicht verwundern, daß sie auch recht europäisch ist. Gelegentlich wird gerade diese Eigenschaft Esperanto vorgeworfen, auch von Leuten, die sich sonst weltoffen geben, aber dann Esperanto doch nicht lernen möchten, weil es ja die anderen in der Welt nicht ausreichend berücksichtigen würde. Sollte sich die Entwicklung so einstellen, wie es Zlatko Tišljar in "Eŭropo vi baldaŭ mortos!" (Europa, du wirst bald sterben) im Ansatz sieht, dann käme es vielleicht zu einem weiteren "Umweg" über großräumige Erdteil-Sprachen, aber dann doch hin zu einer gemeinsamen Sprache. Angenommen, man nimmt Esperanto als Grundlage, lässt die Grammatik bestehen und tauscht nur die Wortstämme aus. Würde man diese Sprache mit den völlig unbekannten Begriffen so gut lernen können, wie Esperanto? Nehmen wir eine relativ verbreitete Sprache wie Suaheli. Wenn das Wort Hoffnung matumaini (klein geschrieben) heißt und Hoffender Matumaini (groß geschrieben), dann würde das neu entstehende Esperanto mit den bekannten Regeln vielleicht Matumainianto heißen. Dazu kämen Bezeichnungen aus den tausenden existierenden Sprachen der Welt. Wie leicht ließe sich diese Sprache in der Welt verstehen und erlernen? Was dagegen denkbar und vielleicht sinnvoll wäre, ist eine Sprachreform, die sich nochmal kleine Grammatikfragen ansieht und vielleicht einige Wörter austauscht. Doch solch eine Sprachreform müsste dann gemeinsam weltweit entwickelt und anerkannt werden. Und solange dies alles nicht eintritt, bleibt es beim bekannten Anspruch und Vorschlag, Esperanto als weltweites Medium zu verwenden." Steffen Eitner (EDE) Individuelle Gedanken
Nun zur Neutralität und dem Unpolitischen. Zwischen den Weltkriegen waren es oft die nichtesperantistische Gesellschaften, welche mit ihren politischen Ideologien dafür sorgten, daß sich Esperantofreunde entscheiden mussten. Soll unbedingt eine politische, also "unneutrale", Dimension in Esperanto wahrgenommen werden? Wäre es nicht leichter, allgemein zu bleiben? Sicher kam auch Josef Zauner mit diesen Fragen in Berührung. Er lebte wohl mit einer vordergründigen Zurückhaltung so mancher Esperantisten, die ihre Ideale über die schweren politischen Zeiten retten wollten. Sicher, Gesellschaften verbieten eher unliebsame politische Bewegungen. Die anderen "neutralen" bürgerlichen Esperantovereinigungen im diktatorischen Deutschland existierten noch ein paar Jahre länger, doch sie waren dann eben auch verboten.
Wurde ein schwieriges historisches Erbe für EDE hinterlassen? Wie konnten sich die frühen Befürworter der auf lange Zeit angelegten Idee durch die Zeiten retten? Wie hatte es Zauner geschafft, mit seinen politischen Vorstellungen Diktatur und Krieg zu überstehen und in Rumänien zum Lebensende hin als Lehrer arbeiten zu können? Sind die Daten korrekt? Dazu liegt noch vieles im Dunkeln.
Ein solcher erneuter Rückzug in finstere Zeiten wäre schlimm, wäre aber nicht "Schuld" von EDE! Je nach Sicht würden einige Esperantisten dann vielleicht behaupten, "wären wir schön neutral geblieben, wäre es uns besser ergangen". Eher kann die Antwort nur sein, mehr für die Sache der Demokratie in Europa mit bewußten Bürgern zu tun. Wie sicher ist die heutige Demokratie verankert? Sie zählt immer noch auf nationale Ebene. Dabei muß Demokratie auch für Europa voll ausgebildet sein. Noch kann sie entwickelt werden. Wann wenn nicht jetzt? Für EDE besteht heute eine Chance, am Aufbau einer europäischen Demokratie zusätzlich zur nationalen Ebene mitzuwirken. Und heute sollte von den thematisch Informierten mehr beigetragen werden. Sonst wäre schon fast sicher, daß sich alte Zustände ähnlich wiederholen. Sympathisanten finden sich unabhängig von jenen in eine bestimmte Richtung gefestigten Esperantisten auch in weiteren Teilen der Gesellschaften. Wir sollten besser suchen und werden dann sicher fündig.
EDE kann weitere Themen vertragen. Über aktuell wahrgenommenen Politikbereiche muß neben der wichtigen Sprachenpolitik ebenfalls diskutiert und abgestimmt werden. Dabei können nicht immer alle Mitglieder bei allen Themen gleiche Ansichten haben und manches Ergebnis muß man dann auch mal tolerieren. Das gehört zur Realität. Doch immer muß gelten: Die Grundaufgabe von EDE ist die Erreichung der Sprachengerechtigkeit in Europa mittels Esperanto, damit ein demokratisches Europa entstehen und bestehen kann. Dies muß generell betont werden und darf im Alltagsgeschäft einer Partei niemals an den Rand gedrängt werden. Alles andere haben alle anderen Parteien. Sicher sind weitere Themen im heutigen Europa wichtig und sie sollten auch bei EDE stattfinden. Aber niemals dürfen sie unser Thema verdrängen, so daß wir höchstens dort stehen, wo sich die sogenannten Europaparteien (z.B. Volt) aufstellen. Wegen des Verzichts auf das Sprachenthema und Esperanto sind sie genaugenommen keine richtigen Europaparteien. Immer ist zu beachten, was EDE ausmacht. Europa, Demokratie und Esperanto! Dieses Thema muß immer das erste Thema bleiben. Sonst würde EDE seine Grundlage verlieren. Es kann nicht erwartet werden, daß Esperanto einfach so eingeführt wird und man sich nicht mehr darum kümmern braucht. Ungelöste Probleme dürfen nicht verdrängt werden, sie werden sich bei (un-)passender Gelegenheit wieder zeigen. Wenn nur andere auch wichtige Themen bearbeitet werden, dann sind die Gesellschaften mit ihren Demokratien insgesamt in Gefahr. Welche Themen und welche Erweiterung von Themen sollen eine hervorgehobene Rolle bei EDE spielen?
THEMA 1 Sprachengerechtigkeit
Die gemeinsame neutrale Sprache Esperanto ist notwendig - Esperanto ist Voraussetzung für gleichberechtigte Verständigung - Gleichberechtigte Verständigung ist Voraussetzung für Demokratie
Neben den wenigen Europäern, denen die Notwendigkeit der gemeinsamen Sprache bewußt ist, werden Bürger aktiv, die ihre jeweilige Minderheitensprache (vor allem in den westlichen historisch kolonial geprägten Nationalstaaten) stärken wollen. Bei einem Teil von ihnen kann von einem positiven Denken gegenüber Esperanto ausgegangen werden. Da wir die Sprachenvielfalt bewahren wollen, sollte das Thema aktuell stärker bearbeitet werden.
THEMA 2 Bürger und Europäische Demokratie
Ohne ein Europäisches Bewußtsein kann die Idee einer Europäischen Demokratie nicht wirken. Eine Voraussetzung ist Bildung für alle Bürger, ein Europäisches Basiswissen. Dazu gehört das Erlernen der neutralen Sprache Esperanto. Und dann erst kann sich mit dem neuen Erleben auch das Bewußtsein stärken und dann erst ist eine übernationale Demokratie realisierbar. Ansonsten leben alle nur nebeneinanderher, selbst wenn Gesetze angepasst werden. Denn die besten wirtschaftsfreundlichen Gesetze schaffen noch keine Europäische Identität. Dann kann Europa sich nicht weiterentwickeln und fällt zurück, Krisen können zu Zerstörungen führen. Das ist praktisch schon fast die Kurzformel und Begründung, warum EDE gebraucht wird.
THEMA 3 Beschaffenheit des Staatensystems Europa edexstatsitucelo
Gedanken zu Form und Struktur des Staatengebildes Europa sind nicht zu vernachlässigen. Form und Struktur des Staatengebildes Europa sind noch nicht fertig entwickelt. Zamenhof und Zauner stellten bereits Überlegungen zur Beschaffenheit eines geeinten Europas mit den diversen Ebenen an. Dies tun heute auch andere "Europaparteien". Die Begrifflichkeiten weichen voneinander manchmal ab. Im Prinzip geht es um die gerechte Machtverteilung auf die Ebenen, Stichwort Subsidiarität. So viel wie möglich am Ort entscheiden und gemeinsame Fragen gemeinsam beantworten. EDE sollte natürlich einen Bundesstaat anstreben, da zwar auch in einem Staatenbund Esperanto denkbar ist, aber solch ein europäischer Staatenbund leichter zerfällt. Diese Nationalstaaten würden ohnehin Esperanto kaum fördern, es wäre nicht erwünscht. Das zeigt die Geschichte bis heute.
4 WEITERE WICHTIGE THEMEN
Es wäre falsch, die anderen drängenden Themen der Zeit auszuklammern. Ja, Sozial- und Umweltthemen gehören dazu. Unser Ansatz sollte einfach progressiv sein, aber eine zwanghafte allumfassende Abarbeitung kann zumindest in der heutigen Zeit nicht verlangt werden. Am Ende müssen sich die Mitglieder auf Grundlegendes einigen können.
Je nach Bedarf und Anlaß entstanden durch verschiedene Personen Gedanken zu diversen politischen Themen. Manchmal nur Anregungen im Text, manchmal auch in Petitionsform. Hier als Beispiel eine kurze Darstellung zu Themen, die einen Bezug zu EDE haben können, so ähnlich angeordnet bei Individuellen Gedanken Steffen Eitner:
Bildung |Anerkennung bei Wettbewerben| |Europäisches Basiswissen|
Geopolitik - territoriale Ordnung und Zugehörigkeiten der Bürger in Europa
Soziales / Lebensqualität
Medien |Inhalte| |Technologie|
Verkehr |Technik| |Organisation und Vernetzung|
Umweltpolitik |Energietechnologie|
Esperanto zu europäisch?
Muttersprache
Der Vorgang ist nicht abgeschlossen. Die Frage nach der Interpretation des Neutralitäts-Begriffes bleibt aktuell. 2020012420210730SE
Guilherme Fians Jahrbuch der Gesellschaft für Interlinguistik 2018 (S.11) (
Die Neutralität einer politischen Partei: Sprachpolitik und Aktivismus für
Esperanto in den Wahlen zum Europäischen Parlament PDF (interlinguistik-gil.de)